Stroke Einsatz Mobil (STEMO) und STEMO-Forschung: Phantom-S und B_PROUD
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Das Stroke-Einsatz-Mobil (STEMO) wurde speziell für die Versorgung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten konzipiert. Um mögliche Schlaganfälle zu identifizieren, nutzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Feuerwehr-Leitstelle einen hierfür entwickelten Abfrage-Algorithmus. Besteht der Verdacht auf einen Schlaganfall, schicken sie – sofern verfügbar – ein STEMO zum Einsatzort. Dank des CTs und der Labordiagnostik im Fahrzeug kann das Team direkt vor Ort eine Hirnblutung ausschließen und einen ischämischen Schlaganfall mittels systemischer Thrombolyse behandeln. Im STEMO können Patientinnen und Patienten somit bereits prähospital, also vor der Ankunft im Krankenhaus, behandelt werden. Dadurch steigen ihre Chancen, keine oder nur wenige bleibende Schäden durch den Schlaganfall davonzutragen. Zur Besatzung des dreiköpfigen STEMO-Teams gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus folgenden Berufsgruppen: Neurologin oder Neurologe mit Notarztqualifikation, Radiologieassistentin oder Radiologieassistent (MTRA), Rettungssanitäterin oder Rettungssanitäter. Zur Beurteilung der CT-Bilder können per Telemedizin Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich der Neuroradiologie hinzugezogen werden.
Die Berliner STEMOs
Das Stroke-Einsatz-Mobil, kurz "STEMO", wurde zusammen mit der Berliner Feuerwehr und der Firma MEYTEC entwickelt und im Februar 2011 erstmals eingesetzt. Die Entwicklung basiert auf einem Konzept von Professor Klaus Faßbender, Leiter der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum des Saarlandes, der 2008 in Homburg das erste Schlaganfallmobil etablierte.
Nach erfolgreicher Erprobung des Berliner STEMOs folgte 2017 die zweite STEMO-Generation mit vier neuen Fahrzeugen. Neben der Charité – Universitätsmedizin Berlin betreiben heute das Unfallkrankenhaus Berlin und Vivantes jeweils ein weiteres STEMO. Das vierte steht als Ersatz zur Verfügung, wenn eines der Stammfahrzeuge durch Wartung, TÜV oder Reparatur ausfällt. Die STEMOs sind an sieben Tagen in der Woche von 07:00 Uhr bis 23:00 Uhr fast im gesamten Berliner Stadtgebiet im Einsatz.
Inzwischen sind weltweit an fast 30 Orten Mobile Stroke Units (kurz MSUs) im Einsatz oder in Planung. Dabei werden in Norwegen und Australien auch Hubschrauber zur Rettung von Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten eingesetzt. Eine Übersicht über die Projekte stellt das internationale Konsortium der MSU-Betreiber PRESTO bereit.
Wissenschaftliche Evaluationen zur STEMO-Versorgung
PHANTOM-S: The Pre-Hospital Acute Neurological Therapy and Optimization of Medical Care in Stroke Patients-Study
Die Phantom-S-Studie untersuchte von 2011 bis 2013, inwieweit die Versorgung mit dem STEMO für Patientinnen und Patienten sicher und wirksam ist. Im Fokus standen dabei unter anderem die Prozesszeiten, also zum Beispiel das Zeitintervall vom Notrufeingang bis zur Lysebehandlung. Außerdem wurde analysiert, ob Patientinnen oder Patienten, die dafür in Frage kamen, durch den STEMO-Einsatz häufiger mit einer Lysetherapie behandelt werden konnten.
Während der Phantom-S-Studie kam das STEMO aus organisatorischen Gründen abwechselnd jeweils eine Woche zum Einsatz und eine Woche nicht zum Einsatz. In den Wochen, in denen es nicht zur Verfügung stand, wurden die Patientinnen und Patienten trotz "STEMO-Alarm" vom konventionellen Rettungsdienst versorgt. Diese Patientinnen und Patienten dienten in PHANTOM-S als Kontrollgruppe. Insgesamt wurden 6.182 Patientinnen und Patienten in die Studie eingeschlossen.
B_PROUD - Berlin PRehospital Or Usual Delivery of Acute Stroke Care
In der ersten Evaluationsphase von B_PROUD untersuchte das Studienteam von Februar 2017 bis Mai 2019 die Effekte der STEMO-Versorgung auf das langfristige Behandlungsergebnis. Durch eine standardisierte Abfrage mittels "modified Rankin Scale" (mSR) und der Nutzung des EQ-5D-Fragebogens zur Erhebung der Lebensqualität wurde ermittelt, inwieweit die Patientinnen und Patienten drei Monate nach dem Schlaganfall noch unter Einschränkungen litten.
Während der Studienlaufzeit waren zunächst ein, später zwei und drei STEMOs im Einsatz. Die Aufteilung in Behandlungs- und Kontrollgruppe erfolgte nach Verfügbarkeit der STEMOs: Konnte die Feuerwehr bei Patientinnen und Patienten mit Schlaganfallverdacht ein STEMO losschicken, wurden diese der Behandlungsgruppe zugeordnet. Stand kein STEMO zur Verfügung – etwa weil diese bereits im Einsatz waren – wurden die Patientinnen und Patienten auf herkömmlichem Weg versorgt und der Kontrollgruppe zugeordnet. Insgesamt nahmen 1.543 Patientinnen und Patienten an der B_PROUD-Studie teil.
B_PROUD erbrachte erstmals den direkten Nachweis, dass Patientinnen und Patienten durch die Versorgung mit einem Mobile Stroke Unit nachhaltig profitieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die BEST-MSU-Studie, für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. James Grotta von der University of Texas die Effekte von verschiedenen, in US-amerikanischen Städten eingesetzten MSUs untersuchten.
B_PROUD 2.0 - Berlin PRehospital Or Usual Delivery of Acute Stroke Care 2.0
In B_PROUD 2.0 werden aktuell Patientinnen und Patienten betrachtet, die von Mai 2019 bis Januar 2021 die Studienkriterien erfüllten und entweder durch die drei Berliner STEMOs oder (bei Nicht-Verfügbarkeit der drei STEMOs) durch den normalen Rettungsdient versorgt wurden. Dadurch können die Effekte der Versorgung auf einer noch breiteren Datenbasis betrachtet und die Effekte von Änderungen in den Einsatzstrategien und Prozessabläufen untersucht werden. Die Auswertung der Ergebnisse steht aktuell aufgrund der notwendigen verblindeten Adjudizierung aus.
Zusammenfassung bisheriger Forschungsergebnisse aus Phantom-S und B_PROUD
Effekte der STEMO-Versorgung gegenüber der konventionellen Versorgung konnten durch Phantom-S und die B_PROUD-Studie gezeigt werden:
- Weniger Zeitverlust: Die Zeit vom Notruf bis zu Beginn der Behandlung kann zwischen 20 (B_PROUD) und 25 (Phantom-S) Minuten verkürzt werden.
- Mehr Patientinnen und Patienten erhalten die Lysetherapie, viele bereits in der ersten Stunde nach Symptombeginn: In B_PROUD bekamen gut 60 % der Patientinnen und Patienten in der STEMO-Gruppe eine Lyse, fast 13 % konnten innerhalb der ersten Stunde, in der "goldenen" ersten Stunde ("golden hour") nach Symptombeginn behandelt werden. In der Kontrollgruppe wurden 48 % der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus lysiert, 4 % erhielten die Lyse in den ersten 60 Minuten.
- Bessere Prognose für Patientinnen und Patienten mit STEMO-Versorgung: B_PROUD 1.0 zeigte, dass Patientinnen und Patienten mit STEMO-Versorgung nach drei Monaten insgesamt weniger Beeinträchtigungen davontrugen, als Patientinnen und Patienten, die auf konventionellem Wege versorgt wurden. Rückte ein STEMO aus, verstarben rund 7 % der Patientinnen und Patienten, bei konventioneller Rettungsdienstversorgung waren es rund 9 %. Gleichzeitig berichteten in der STEMO-Gruppe rund 51 % der Patientinnen und Patienten von ihrem Schlaganfall keine Alltagseinschränkungen davongetragen zu haben. In der Kontrollgruppe waren dies rund 42 %. Auch bei der Erhebung der Lebensqualität schnitt die STEMO-Gruppe signifikant besser ab.
- Kein früherer Behandlungsbeginn bei Thrombektomien: Durch die frühe Diagnostik und die Möglichkeit, Patientinnen und Patiente zielgenau ins geeignete Krankenhaus zu transportieren, hat der STEMO-Einsatz das Potential, die Zeitspanne bis zu einem endovaskulären Eingriff zu verkürzen. Erfolgen die CT und CTA-Untersuchung im STEMO, können die Bilder an das neurochirurgische Team der Klinik gesendet und der Eingriff vorbereitet werden. Die Ergebnisse von B_PROUD 1.0 zeigen jedoch, dass dies in der Praxis noch nicht häufig umgesetzt werden konnte. Thrombektomien erfolgten im Vergleich zur konventionellen Versorgung sogar mit leichter Verzögerung. Ohne STEMO-Einsatz erfolgte der endovaskuläre Eingriff im Mittel nach 125 Minuten, mit dem STEMO nach 136 Minuten.
STEMO als Forschungsplattform: Weitere Studien auf dem STEMO
Neurologinnen und Neurologen auf dem STEMO sehen Schlaganfallpatientinnen und -patienten durchschnittlich viel früher als Kolleginnen und Kollegen in der Klinik. Das macht das STEMO zu einer idealen Forschungsplattform, wenn es um die Entwicklung innovativer diagnostischer Verfahren oder Therapien von akuten, sehr frühen Schlaganfällen geht.
In diese Richtung zielen derzeit vier Projekte am Centrum für Schlaganfallforschung Berlin:
- "ProGrEss-Bio": Lassen sich Schlaganfälle mit Hilfe von Biomarkern diagnostizieren und differenzieren?
- "ULTRAFAST": Kann das CT durch ein viel kleineres automatisiertes diagnostisches Instrument ersetzt werden?
- "FASTEST": Kann Patientinnen und Patienten mit einem hämorrhagischen Schlaganfall durch die Gabe des rekombinanten aktivierten Faktor VII innerhalb der ersten zwei Stunden nach Symptombeginn geholfen werden?
- "LVOCheck": Ist es möglich, einen großen Gefäßverschluss in einem Bluttest zu erkennen?
Team STEMO
Notärztinnen und Notärzte, Neurologinnen und Neurologen
- Dr. med. Joachim Weber (STEMO-Stützpunktleiter)
- Dr. med. Martina Zuber
- Marc Schehadat
- PD Dr. med. Dorothee Kübler-Weller
- Fulvio Bondi
- Thomas Ihl
Maschinistinnen und Maschinisten, Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter
- Olaf Müller
- Jan Hildebrandt
- Niclas Schuenke-Nelke
- weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Feuerwehr
Medizinisch-technische Radiologie-Assistenz (MTRA)
- Louisa Fiona Schröter
- Maren Lorenz
- Lisa Haacke
- Cay-Robin Hasse
- Jenny Sulejmanov
Kooperationen und Forschungspartner
- Berliner Feuerwehr
- MEYTEC GmbH Informationssysteme
- Centrum für Schlaganfallforschung Berlin
Steering Committee B_PROUD 2.0
- Prof. Dr. med. Heinrich A. Audebert (Projektverantwortlicher)
- Prof. Dr. med. Dr. phil. Martin Ebinger (stellvertretender Projektverantwortlicher)
- Prof. Dr. med. Matthias Endres, wissenschaftlicher Berater
- Prof. Dr. med. Christian Nolte, wissenschaftlicher Berater
- Dr. rer. nat. Ira Napierkowski, Studienmonitorin