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Informationsreihe Schlaganfall

Einblicke und Interviews

An dieser Stelle möchten wir Ihnen Einblicke in die Schlaganfallforschung und die Schlaganfallversorgung geben.

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Porträt von Prof. Dr. med. Christian Nolte

Stumme Schlaganfälle

Interview mit Prof. Dr. med. Christian Nolte

Leiter der Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit) der Klinik für Neurologie am Charité Campus Benjamin Franklin und Forscher im CSB


Kann man einen Schlaganfall erleiden, ohne etwas davon zu bemerken? Gibt es so etwas wie einen Schlaganfall ohne Symptome?
Ja. Weil die Messmethoden immer besser werden, können wir seit einigen Jahren auch Schlaganfälle bei Menschen nachweisen, die keine Symptome bemerkt haben. Das (vermeintliche) Fehlen von Symptomen kann mehrere Ursachen haben. Erstens können diese Schlaganfälle in Teilen des Gehirns auftreten, die mit Aufgaben betraut sind, die wir nicht ständig benötigen oder die eher im Verborgenen arbeiten. Solche Areale im Gehirn nennen wir nicht-eloquent. Zweitens könnten die Schlaganfälle im Schlaf aufgetreten sein. Der Ausfall wäre dann beim Erwachen bereits kompensiert. Wir wissen inzwischen, dass die Symptome eines Schlaganfalls auch vorübergehender Natur sein können. Drittens können Menschen natürlich Symptome eines Schlaganfalls auch negieren, "in den Wind schlagen" oder "nicht wahr haben wollen" und die Besserung dann als Beweis ansehen, dass "gar nichts passiert sei". Dieses "nicht-Erkennen" hängt mit dem Wissen über Schlaganfallsymptome zusammen, aber auch mit dem Charakter des Patienten, der die Wahrheit nicht erkennen kann oder will.



Wie häufig sind "zufällig" entdeckte Schlaganfälle und bei welchen Gelegenheiten werden sie in der Regel gefunden?
Wenn diese "stummen" oder "verdeckten" Schlaganfälle nicht in Reihenuntersuchungen zu Studienzwecken gefunden werden, dann meistens bei der Herstellung von Bildern vom Gehirn, die aus anderer Indikation durchgeführt wurden, z. B. bei Kopfschmerzen.
Wie häufig Schlaganfälle zufällig entdeckt werden, hängt stark von der verwendeten Untersuchungsmethode ab. Wenn man Magnetresonanztomographie (MRT) einsetzt, findet man z. B. mit einem MRT mit höherer Feldstärke häufiger stumme Infarkte als mit einem MRT geringerer Feldstärke. In Studien, bei denen MRT geringerer Feldstärke benutzt wurde, fand man bei 10 % bis 20 % der eigentlich gesunden Menschen verdeckte Schlaganfälle. Das war mindestens fünfmal häufiger als bekannte bzw. bemerkte Schlaganfälle.



Welche Personengruppen sind hauptsächlich betroffen? Was sind die Risikofaktoren?
Personengruppen mit verdeckten Schlaganfällen sind denen mit "offenen" Schlaganfällen sehr, sehr ähnlich. Sie haben die klassischen vaskulären Risikofaktoren – d. h. Risikofaktoren für Erkrankungen des Gefäßsystems – wie Arteriosklerose, hohen Blutdruck, Rauchen, Diabetes mellitus, höheres Alter oder Vorhofflimmern. Interessanterweise findet man viele stumme Schlaganfälle aber auch nach medizinischen Eingriffen am Herzen, wie z. B. nach Herzklappenersatz.



Weist ein stummer Hirninfarkt auf ein erhöhtes Risiko für einen offenen Schlaganfall, also einen Schlaganfall mit deutlichen Symptomen und Schädigungen, hin? Sollten vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden?
Ja. Scheinbar gesunde Menschen bei denen verdeckte Schlaganfälle gefunden werden, haben ein 1,5-fach bis 2,5-fach erhöhtes Risiko für offene Schlaganfälle und ein 4-fach erhöhtes Risiko eine Demenz zu entwickeln. Vermeintlich stumme Hirninfarkte sind außerdem ein Risikoindikator für einen Herzinfarkt. Darum sollten, auch wenn ein Schlaganfall scheinbar ohne Symptome auftrat und nur zufällig entdeckt wurde, die gleichen vorbeugenden Maßnahmen ergriffen werden, wie bei einem offenen Schlaganfall. Die Gefäßrisikofaktoren mangelnde Bewegung, Übergewicht, Rauchen, ungesunde Ernährung, hoher Blutdruck, Diabetes und erhöhte Fettspiegel sollten identifiziert und modifiziert werden. Ich würde einem Patienten mit einem stummen Hirninfarkt auch eine Blutverdünnung empfehlen. Ein stummer Schlaganfall ist mehr als ein Warnzeichen.

AG Nolte

Weitere Informationen über die Forschungsgruppe von Prof. Dr. med. Christian Nolte finden Sie hier.