Spreading depression as an innate antiseizure mechanism.



Tamim I, Chung DY, de Morais AL, Loonen ICM, Qin T, Misra A, Schlunk F, Endres M, Schiff SJ, Ayata C.
Nat Commun. 2021 Apr 13;12(1):2206. doi: 10.1038/s41467-021-22464-x.
PMID: 33850125
Spreading Depression/Depolarization (SD) beschreibt eine abrupte und intensive Massendepolarisation von Zellen des zentralen Nervensystems. Sie geht mit immensen Verschiebungen von Wasser- und Ionströmen einher und breitet sich als langsam voranschreitende Depolarisationswelle im Gewebe aus. Dort führt sie zum Sistieren der hirnelektrischen Aktivität. SD stellt das pathophysiologische Korrelat der Migräne-Aura dar und ist an der Entstehung des Kopfschmerzes beteiligt. Als Trigger einer SD wird die Hypererregbarkeit des Migräne-Kortex diskutiert. Da SD in vielen Spezies auftritt, stellt sich die Frage, inwieweit das Phänomen eine endogene Eigenschaft des ZNS darstellt.
Wir haben in einem in vivo Maus-Modell das Zusammenspiel zwischen epileptischen Anfällen und SD untersucht. Die topische Applikation von 4-Aminopyridin, Bicucullin und Penicillin wurden zur Erzeugung kortikaler fokaler Anfälle genutzt. Die systemische Applikation von Kainsäure wurde zur Generierung eines Status epilepticus angewandt. Zur Beurteilung der Anfallsintensität und -ausbreitung sowie zur Detektion von SDs wurde ein Elektrokortikogramm und die langsame Gleichstrompotenzialänderung im Kortex und Hippocampus abgeleitet. Mittels Intrinsic Optical Imaging wurde das zerebrale Blutvolumen als Korrelat einer Anfallsgeneralisation beurteilt. Die Untersuchungen wurden an Wildtyp-, optogenetischen und FHM1-Mäusen durchgeführt.
Sowohl kortikale Anfälle als auch generalisierte Anfälle triggerten SDs. Bereits einzelne SDs supprimierten den Anfall. Die Depolarisationswelle breitete sich vom Anfallsfokus über die Hemisphäre aus, hemmte eine Generalisation und verhinderte ein Wiederauftreten des Anfalls. Eine hohe Anfallsintensität und -ausbreitung waren mit einem häufigeren Auftreten von SDs assoziiert. Optogenetisch oder KCl- induzierte SDs zeigten einen ähnlich starken antiepileptischen Effekt. Umgekehrt erleichterte eine pharmakologische Inhibition von SD die Generalisation der Anfälle.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass SD einen angeborenen Verteidigungsmechanismus des Gehirns darstellt. Dieser antiepileptische Effekt erlaubt nun eine ausgewogenere Sicht auf das Phänomen. Unter metabolisch kompromittierten Bedingungen (Hypoxie, Ischämie) wurden SDs bisher als fatale Komplikation beschrieben. Im hyperregbaren Migräne-Kortex könnte SD als “Neustart-Mechanismus” die Entstehung eines epileptischen Anfalls ausbremsen, wobei SD klinisch als Aura wahrgenommen wird. Die Daten weisen außerdem auf gemeinsame molekulare Mechanismen bei Migräne und Epilepsie hin, die beide Komorbiditäten darstellen. Dies könnte in Zukunft die Identifikation neuer Therapie-Targets erleichtern.
Isra Tamim ist MD/PhD-Studentin in der Klinik für Neurologie an der Charité in der Arbeitsgruppe von Matthias Endres. Von 2018-2020 hat sie am Massachusetts General Hospitals/Harvard Medical School unter Cenk Ayata geforscht. Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen einer Kooperation beider Arbeitsgruppen.
Prof. Dr. med. Matthias Endres ist Direktor der Klinik für Neurologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin und Vorstandsmitglied im Centrum für Schlaganfallforschung Berlin.
Prof. Cenk Ayata ist Leiter der Neurovascular Research Unit am Massachusetts General Hospital/Harvard Medical School in Boston, USA.
Die Veröffentlichung des Monats wird jeden Monat von den Direktoren des CSB aus den Veröffentlichungen des CSB und der Klinik für Neurologie der Charité ausgewählt.
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