Long-Term Cognitive Outcome in Anti-N-Methyl-D-Aspartate Receptor Encephalitis.


Heine J, Kopp UA, Klag J, Ploner CJ, Prüss H, Finke C.
Ann Neurol. 2021 Sep 30. doi: 10.1002/ana.26241. Online ahead of print.
PMID: 34595771
Die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten mit anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis weist trotz des teilweise schweren klinischen Verlaufs ein gutes neurologisches Outcome auf. In den entsprechenden Langzeituntersuchungen wurde jedoch überwiegend die modifizierte Rankin-Skala (mRS) zur Bestimmung des Krankheitsoutcomes verwendet, d. h. einer für das Outcome nach Schlaganfall entwickelten Skala mit starker Gewichtung motorischer Fähigkeiten. Die mRS kann daher viele Symptome autoimmuner Enzephalitiden nicht gut abbilden. Tatsächlich wiesen kleinere Studien mit detaillierter neuropsychologischer Diagnostik bereits auf persistierende kognitive Defizite bei einer Mehrheit der NMDARE-Patienten hin.
Unsere aktuelle Studie ist die erste größere prospektive Studie, die neuropsychologische Outcomes der NMDAR-Enzephalitis in einem longitudinalen Design untersucht. Es wurden 40 Patientinnen und Patienten eingeschlossen, die an neuropsychologischen Untersuchungen im 2-Jahres-Abstand teilnahmen. Die Untersuchungen umfassten u. a. die Domänen Aufmerksamkeit, Gedächtnis, exekutive Funktionen sowie subjektive kognitive Beschwerden.
Unsere Studie zeigt eine klare Diskrepanz zwischen mRS-Werten und neuropsychologischen Langzeitfolgen: Auch die hier untersuchten Patienten wiesen rund 4.9 Jahre (Median) nach Erkrankungsbeginn ein sehr gutes neurologisches Outcome auf (d. h. körperliche Beeinträchtigung gemessen an mRS Scores; mRS 0-1) auf. Im Gegensatz hierzu fanden sich bei 2/3 der Patienten moderate oder schwerwiegende neuropsychologische Defizite. Diese zeigen sich vor allem in Tests der Merkfähigkeit (verbales episodisches Gedächtnis und Arbeitsgedächtnis) und kognitiver Kontroll- und Steuerungsprozesse (exekutive Funktionen). Ein weiteres Drittel der Patienten war nicht mehr oder nur noch von einer leichten kognitiven Leistungseinschränkung betroffen.
Die kognitive Langzeitsymptomatik hängt dabei von Faktoren der Akutphase der NMDAR-Enzephalitis ab. Eine rasche Initiierung einer First-line Immuntherapie und ein milderer Verlauf mit kürzeren Krankenhausaufenthalten erwiesen sich in einer Regressionsanalyse als signifikante Prädiktoren für ein gutes postakutes Outcome. Trotz der relevanten Defizite fanden sich bei betroffenen Patienten auch noch Jahre nach der Akutphase kognitive Leistungsverbesserungen.
Die Studie zeigt, dass kognitive Defizite die Langzeitmorbidität der NMDAR-Enzephalitis bestimmen. Gleichzeitig gibt die Studie neue Impulse für die Langzeitversorgung nach NMDAR-Enzephalitis: alle Patientinnen und Patienten sollten eine umfassende neuropsychologische Diagnostik nach der Akutphase erhalten und ggf. eine kontinuierliche kognitive Rehabilitation. Patienten und Angehörigen sollten über die hohe Prävalenz kognitiver Defizite aufgeklärt werden, aber auch über die langjährig anhaltende Erholungsphase. Zudem sollten kognitive Maße als Endpunkt in klinischen Studien berücksichtigt werden.
Josephine Heine ist kognitive Neurowissenschaftlerin und Postdoktorandin in der Arbeitsgruppe „Kognitive Störungen bei neurologischen Erkrankungen“ am Charité Campus Mitte. Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt in der strukturellen und funktionellen Bildgebung bei Patientinnen und Patienten mit Gedächtnisstörungen.
Prof. Dr. med. Carsten Finke ist Oberarzt der Klinik für Neurologie der Charité und Heisenberg-Professor für Kognitive Neurologie. Er leitet die Arbeitsgruppe „Kognitive Störungen bei neurologischen Erkrankungen“.
Die Veröffentlichung des Monats wird jeden Monat von den Direktoren des CSB aus den Veröffentlichungen des CSB und der Klinik für Neurologie der Charité ausgewählt.
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